Flecken Lamspringe
1150 Jahre Kloster und Flecken Lamspringe
Kloster und Flecken Lamspringe blicken auf eine 1150-jährige Geschichte zurück. Prähistorische Funde bezeugen, dass der Raum Lamspringe schon früh besiedelt gewesen sein muss. Ob aber zur Zeit der Klostergründung schon eine Siedlung bestanden hat, ist nicht nachweisbar. Die Lage an der wichtigen Passstraße, von Frankfurt über Göttingen und Hildesheim zur Nordsee führend und ein quellenreiches Gebiet gaben beste Voraussetzungen für die Gründung einer Siedlung.
Wenn auch keine Originalurkunden über die Gründung des Klosters vorliegen, so kann man doch nach der neuen Forschung das Gründungsjahr 847 bestimmen.
Graf Ricdag, Angehöriger eines sächsischen Adelsgeschlechtes, gilt als Fundator des Klosters. Bischof Altfried von Hildesheim förderte mit großem Wohlwollen den Aufbau des Kanonissenstiftes. In einer Urkunde von 872 trat er der Stiftung einige Zehnte ab und gewährte dem Konvent das Recht, seine Äbtissin selbst zu wählen. Erste Äbtissin wurde die Tochter des Stifters, Ricburga. Während das Kloster zunächst als Kanonissenstift geführt wurde, in dem die Kanonissen nicht an ein Gelübde gebunden waren, so wurde es später in ein Benediktinerinnenkloster umgewandelt. Mit 180 Nonnen erlebte das Kloster im 12. und 13. Jahrhundert seine Blütezeit. Es besaß zu jener Zeit 280 Hufen (=840 Morgen/ 210 Hektar) Land, zehn Mühlen, große Waldungen und zog den Zehnten von 17 Dörfern ein. Im Jahre 1229 wurde das Kloster von der Grafengewalt frei und erwarb das Vogteirecht (Gerichtbarkeit), also auch die weltliche Oberaufsicht.
Mit der Gründung des Klosters beginnt auch die Siedlungsgeschichte des Ortes. Für die Bestellung der Felder und für andere Dienste wurden Arbeitskräfte benötigt. Dorfbewohner der näheren und weiteren Umgegend verließen ihre Dörfer, da das Kloster aus den meisten Orten Vorwerke machte. Für die Männer und Frauen gab es reichlich Arbeitsmöglichkeiten als Tagelöhner, Knechte, Handwerker und Klosterdiener. Mit ihren Familien wohnten sie in den vom Kloster für Klosterbedienstete errichteten Wohnhäusern in der Klosterfreiheit. Sie blieben abgabefrei. Nach dem Tod der Bewohner fielen die Häuser (Lebtagshäuser) an das Kloster zurück. So nahm allmählich die Einwohnerzahl des Ortes zu.
Fehden, Plünderungen und Großbrände führten in der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts zu einem stetig fortschreitenden Niedergang. Durch die Kriege Bischof Gerhards (1356-1398) wurden die Ländereien verwüstet und brachten keine Erträge mehr. Es häuften sich die Schulden. Man musste sogar mit der Verpfändung von Besitzungen beginnen.
Durch die Hildesheimer Stiftsfehde (1519-1523) wurde Lamspringe besonders hart betroffen. Der Ort wurde eingeäschert, das Kloster geplündert. Im folgenden Friedensvertrag (Quedlinburger Vertrag) verlor der Bischof das „Große Stift“ und damit auch das Kloster Lamspringe an das Herzogtum Braunschweig. 1568 führte Herzog Julius von Braunschweig für sein Herzogtum den lutherischen Glauben ein. Das katholische Nonnenkloster wurde aufgehoben und in ein evangelisches Damenstift umgewandelt. Über die Entwicklung des Fleckens ist bis zu dieser Zeit wenig bekannt . Wir erfahren, dass die Lamspringer Bürger gegen geringen Meierzins 960 Morgen vom Kloster gepachtetes Ackerland bestellten und nur den Hopfenberg als Anbaufläche für Hopfen als Grundeigentum besaßen. Sie waren also fast völlig von ihrem Grundherren, dem Kloster, abhängig.
Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648)
In den Wirren des 30jährigen Krieges hatten die Lamspringer viele Schrecknisse zu überstehen. Große Belastungen brachten häufige Einquartierungen. Nach der Schlacht bei Lutter am Barenberge 1626 besetzten versprengte Söldnergruppen den Ort, plünderten und brannten die Häuser nieder. Aus Furcht vor weiteren Überfällen versteckten sich die Ortsbewohner mit ihrer geringen Habe im Wald.
Der mutige Lamspringer Henning Eggers verschanzte sich mit einer Schar junger Männer in der Nähe von Rolfshagen. Wachen wurden aufgestellt, um die beutegierigen Söldner vor dem Ort abzufangen. Versprengte Truppenteile durchstreiften den Wald und gerieten aneinander. Im Hinterhalt blies Henning Eggers auf seiner Trompete zum Angriff. Dänen und Kaiserliche meinten, das Zeichen gelte ihnen. Sie feuerten ihre Musketen ab und stürzten in wilder Flucht davon. So wurde Lamspringe durch die List des Henning Eggers vor einem erneuten Überfall verschont. Noch heute heißt der Bereich in der Klosterforst, wo durch einen Trompetenstoß die Marodeure in die Flucht getrieben wurden „Trompeterbusch“. Gegen Ende des Krieges verarmte das Kloster immer mehr. Die Gebäude waren verwüstet und nur noch von wenigen bewohnt.
Nach dem Frieden zu Goslar und Braunschweig im Jahr 1642/43 änderten sich die politischen Machtverhältnisse. Das Große Stift Hildesheim wurde wieder dem Territorium des Fürtsbistums Hildesheims angegliedert. Neuen Aufschwung und eine zweite Blüte erlebte das Kloster, als englische Benediktinermönche am 02.10.1643 in das leerstehende Kloster einzogen. Durch die Vermittlung der Bursfelder Kongregation konnte den englischen Mönchen, die ihre Heimat verlassen mussten, weil nach Heinrich VIII. in England keine Klöster mehr geduldet wurden, das Kloster Lamspringe überlassen werden.
Clemens Reyner als erster Abt des englischen Konvents hatte eine schwere Aufgabe übernommen. Die Gebäude waren verwahrlost, die Kirche drohte einzustürzen. Es fehlte an allen Notwendigkeiten. Auf dem Kloster lastete eine Schuldensumme von 27.000 Reichstalern. Die Gottesdienste der Mönche fanden zunächst in einer kleinen Hauskapelle statt. Die Gemeinde, die anfangs nur aus zwei katholischen Gläubigen bestand, wuchs unter dem Einfluss der Mönche schnell an. Der Chronist Townson nennt für das Jahr 1692 dreihundert Katholiken in der wachsenden Gemeinde.
1670 begann man mit dem Bau der heutigen dreischiffigen Hallenkirche. Nach zwanzigjähriger Bauzeit konnte sie am 26.Mai 1691 von Fürstbischof Edmund von Brabeck geweiht werden.
Abt Josef I. hatte sich neben der Durchführung des kostspieligen Kirchenbaus noch in manch anderer Hinsicht zum Wohle des Klosters verdient gemacht. Besitzansprüche auf früher verpfändeten Ländereien wurden geltend gemacht und die Gerichtsbarkeit des Klosters im Flecken und in den Dörfern wiedererworben. Das Halseisen an der Klostermauer erinnert noch heute an jene Zeit. Von der Steuerpflicht wurde das Kloster befreit und alte Rechte durch zahlreiche lang andauernde Prozesse wiedergewonnen. Nach einer Zeit der wirtschaftlichen Erholung begann man 1731 mit dem Bau der Konventgebäude.
Die Hauptgebäude gruppieren sich um einen nach Westen offenen Garten. Im Norden wird er von der Klosterkirche, im Osten vom Abteigebäude und im Süden vom früheren Wohngebäude der Konventualen begrenzt. Im Mittelbau des Abteigebäudes befanden sich die Repräsentationsräume des Abtes. Über die prächtige barocke Freitreppe aus dem Jahr 1736 gelangt man in die stattliche Eingangshalle. Von der vorgebauten Terrasse hat man einen freien Blick über den weiträumigen Wirtschaftshof mit Scheune und Stallungen. Als Abt Josef Rockeby die Baupläne für die zukünftigen Abteigebäude bei den „Freunden zur Unterstützung der im Exil wirkenden Benediktiner“ in England vorlegte und um großzügige Geldspenden bat, verlangte man, die geplante palastartige Größe zu reduzieren.
Auch der Lamspringer Konvent meldete wegen der Ausmaße Bedenken an. Man befürchtete bei der Durchführung des gewaltigen Vorhabens zukünftige Zahlungsschwierigkeiten. Doch Abt Josef blieb bei seiner Planung und führte das Bauwerk ohne Einschränkungen durch. Mit Hilfe des Bischofs von Hildesheim und einiger Domherren sowie von Grafen und adeligen Herren konnte er den Bau beginnen. Die Restfinanzierung erledigte er durch den Verkauf des eingeschlagenen Holzes im klösterlichen Wald auf dem Heber.
Unter Abt Placidus wurde dem Kloster eine Erziehungsanstalt angegliedert. Nur englische Zöglinge besuchten die Schule. Viele schlossen ihre Studien in Theologie, Philosophie und im kanomischen Recht mit der Priesterweihe ab und traten in den Benediktinerorden ein.
Der Klostergarten
Zum Bereich der Klosteranlage gehörte der große Klostergarten mit einer Fläche von 5,5 Hektar mit zwei Teichen (Backhausteich und Meiereiteich). Unter gewaltigen Kastanien sprudelt noch immer die sagenumwobene Lammequelle, deren Wasser die beiden Teiche speist und früher die Räder verschiedener Wassermühlen in Bewegung setzte. Unter Abt Augustinus Tempest (1708-1729) wurde der Garten mit einer hohen Bruchsteinmauer umgeben und die Quelle eingefasst. Eine Steinplatte mit dem eingemeißelten Wappenbild des Klosters (Lamm mit Krummstab) und dem Abtwappen ziert die Einfassung.
Die Gärtner des Klosters bauten Obst und Gemüse an für den Bedarf der Klosterinsassen und züchteten neue Obst- und Beerensorten. Man versuchte sogar den Anbau von Wein. Die Heilkräuter benötigte der Klosterapotheker für die Zubereitung von Tees und Mixturen und für Arzneimittel zur Versorgung der Kranken.
Das Kloster gelangte bald wieder zu größerem Wohlstand und hohem Ansehen unter den Abteien des Bistums. Mitte des 18. Jahrhunderts anerkannte der Fürstbischof Friedrich Wilhelm von Hildesheim die Leistungen der Benediktinerabtei mit den Worten „Die Palme unter allen Männerklöstern des Bistums kommen dem Kloster Lamspringe zu, wo religiöses Leben, Erziehungsarbeit und Gastfreundschaft neben Kunst und Wissenschaft gepflegt werden.“
Die Schuldenlast wurde getilgt. Die Einkünfte des Klosters stiegen jährlich auf 20.000 Reichstaler. Das Benediktinerkloster Lamspringe wurde zum reichsten Kloster des Bistums.
Mit dem Reichsdeputationshauptschluss wurde das Kloster im Jahre 1803 säkularisiert und ging mit allen Liegenschaften in das Eigentum des Königreiches Preußen über. Die Mönche erhielten Abfindungen und mussten das Kloster verlassen. Sie kehrten nach England zurück und wirkten fortan im Kloster Downside Bath bei London. Die Verwaltung von Kirche und Klostergut liegt seit 1818 in den Händen der Klosterkammer zu Hannover. Die Klosterkirche blieb Pfarrkirche der katholischen Pfarrgemeinde.
1828 wurde der Amtssitz des Amtes Bilderlahe in die freigewordenen Klostergebäude nach Lamspringe verlegt und mit dem Amt Winzenburg vereint.1852 erhielt die Behörde die Bezeichnung „Amt Lamspringe“. Als das Amt 1859 aufgelöst und mit dem Amt Alfeld vereinigt wurde, verblieb in Lamspringe das Gericht. Heute werden die Klostergebäude als Verwaltungsgebäude der Samtgemeinde Lamspringe und als Wohnungen genutzt.
Die Entwicklung des Flecken Lamspringe
Bis zur Hildesheimer Stiftsfehde wird wenig über die Gemeinde berichtet, da die Entwicklung des Ortes eng mit der Geschichte des Klosters verbunden gewesen sein muss. 1568 wurde durch Herzog Julius von Braunschweig in Lamspringe die Reformation eingeführt. Durch die Verleihung von Privilegien wird die Selbstständigkeit der Gemeinde hervorgehoben. Bischof Magnus erlaubte dem Rat, von durchfahrenden Kaufleuten Wegezoll zu erheben. 1613 erhielt der Flecken das Recht der freien Schenke; 1616 das Baurecht. 1639 das Recht, zwei öffentliche Märkte abzuhalten und das Schäfereirecht.
Mit dem Kloster führten die Fleckenbewohner verschiedene Prozesse.
Schon 1659 begann der Streit um Wappen und Hopfenanbau. 1745 folgte ein 36 Jahre langer Prozess um Erbmeiereirechte. Der Flecken besaß bereits 1780 eine Verfassung, in der u.a. die Wahl des Bürgermeister bestimmt wurde. Ein geändertes „Verfassungsstatut“ wurde 1907 eingeführt und galt bis 1919. Das Fleckensiegel enthielt mit Beziehung auf den einst blühenden Hopfenanbau eine Hopfenranke mit der Umschrift:
Sigil = des Raths im Flecken Lamspringe
Neben der Landwirtschaft und dem Hopfenanbau wurde das Brauereirecht zu einer Haupterwerbsquelle der Lamspringer Bürger. Auf 50 Häusern des Flecken ruhte die „Baugerechtsame“.
In der napoleonischen Zeit musste der Flecken Kontributation aufbringen, die sich 1811 auf 1335 Franken beliefen. Die Teilnahme an Napoleons Feldzügen kostete fünf Lamspringern das Leben. 1819 und 1831 wurden große Teile des Fleckens Lamspringe durch Großbrände eingeäschert.
Nach Fertigstellung der Bahnlinie Hildesheim – Kreiensen (1902) nahm das gewerbliche Leben einen neuen Aufschwung. Die Handwerks- und Industriebetriebe entwickelten sich zu Firmen mit relativ großer Belegschaft und weitem Absatzgebiet. Durch die wirtschaftliche Entwicklung steig auch die Einwohnerzahl, denn viele fanden in den Fabriken, Handwerksbetrieben und Geschäften einen Arbeitsplatz.
Durch die Teilung Deutschlands nach dem 2. Weltkrieg verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage einiger Lamspringer Gewerbebetriebe, denen nun ein Teil ihrer Absatzgebiete fehlten. Ab 1960 mussten immer mehr, oft alteingesessene, Betriebe schließen. Wegen der schlechten Standortbedingungen konnte kein Ersatz angesiedelt werden. So vollzog sich ein Wandel in der zukunftsplanerischen Ausrichtung des Ortes von der Industrieorientierung zur Fremdenverkehrs- und Wohnplanung. Die hügelige und waldreiche Landschaft bietet gute Voraussetzungen für den Fremdenverkehr. Gezielte Maßnahmen wie der Bau des Waldschwimmbades und der Ausbau des Klostergartens zu einer Parkanlage sollten den Aufenthalt in Lamspringe attraktiver machen.
Der Klostergarten wird Bürgerpark
Mit dem Ausbau des Klostergartens, der vorher dem Klostergutpächter als Obst- und Gemüsegarten diente, befasste sich der Rat des Fleckens in den Jahren 1963/64 . Die Gartengestaltung wurde im Rahmen eines Wettbewerbs von Studenten der Technischen Hochschule (Gartenbaufakultät) geplant. Der endgültige Ausbau zum Bürgerpark bei Beibehaltung des alten Baumbestandes wurde 1974 beendet. Im südlichen Bereich des Backhausteiches wurde eine würdige Gedenkstätte für die Kriegstoten beider Weltkriege angelegt.
Die alte Klostermühle, schon im 17. Jahrhundert erbaut, wurde durch einen großzügigen Umbau 1993 in ein Künstleratelier mit Wohnung umgewandelt. Das Wasserrad blieb erhalten und dreht sich noch heute zur Freude der Besucher. Kunstwerke, als Ergebnis des Bildhauer – Symposiums von 1984 bringen besondere Akzente in den Bürgerpark. Auffallend ist die von Peter Nedwal in Holz gehauene Figur des Schutzpatrons der Lamspringer Klosterkirche, des heiligen Dionysius (in der Nähe des Teiches aufgestellt). Am Eingang zum Park, von der Hauptstraße her, findet sich ein Sandsteinrelief (von Hans- Tewes Schadwinkel), in dem eine Begebenheit aus der Geschichte des Klosters künstlerisch umgesetzt worden ist. Ein bewaffneter Soldat ergreift die Hand einer Nonne und zerrt sie fort. Ängste und Nöte vergangener kriegerischer Ereignisse will der Künstler mit seinem Werk zum Ausdruck bringen.
Drei Sporthallen, Sport- und Tennisplätze, Reitbahn, Schießsportanlage, ein Minigolfplatz und ein Netz von ausgebauten Rad- und Wanderwegen bieten nicht nur Einheimischen, sondern auch Gästen Gelegenheit zum Freizeitsport.
Als Annerkennung seiner vorbildlichen Aktivitäten auf dem Gebiet des Fremdenverkehrs und aufgrund mehrerer Auszeichnungen im Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ wurde dem Flecken Lamspringe 1977 die Bezeichnung „staatlich anerkannter Erholungsort“ verliehen.